Viel dreht sich in diesen Tagen, um das Thema Active Sourcing in den sozialen Medien und wie Recruiter mittels boolescher Suche, den richtigen Keywords und Quellen ihre Wunschkandidaten finden. Wenn ich dazu Blogbeiträge und Artikel lese, frage ich mich regelmässig wie das funktionieren soll. Denn für mich sind klassische soziale Medien nicht viel mehr als Twitter oder Facebook.

Um sich der Thematik des Active Sourcing zu nähern, schauen wir uns doch zunächst mal die Quellen an, in denen ein Recruiter im Internet nach seinen Traumtalenten suchen kann:

  • Lebenslaufdatenbanken (Monster.de/Stepstone.de/Experteer.de)
  • Businessnetzwerke (Xing.de/Linkedin.de)
  • Facebook, Twitter, Instragram, Pinterest, Google+
  • Foren und Blogs
  • Webseiten
  • Kommentarfunktion
  • Suchmaschinen wie Google, Bing, Yahoo, DuckDuckGo
  • Softwareprodukte von Drittanbietern, welche selber als Bot fungieren

Die Möglichkeiten einer Suche sind also grenzenlos. Allerdings sind nur ein Bruchteil dieser Quellen als „soziale Medien“ einzustufen. Ein schneller Blick in Wikipedia verrät:

Social Media (auch soziale Medien) bezeichnen digitale Medien und Technologien (vgl. Social Software), die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu erstellen.

Quelle: Wikipedia, 26.07.15

Damit entfallen Quellen wie Webseiten, Blogs, Kommentarfunktionen, Lebenslaufdatenbanken und eigentlich auch Business Netzwerke wie Xing. Hier zumindest würde ich mit mir diskutieren lassen. Schließlich ist es in Xing auch möglich neue Inhalte zu „posten“.

Voraussetzungen

Um nun in dieser sehr begrenzten Menge von Quellen ein Ergebnis zu erhalten, müssen fünf Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Der Wunschkandidat muss im Internet irgendwie seine Spuren hinterlassen haben. Wenn er keinerlei Profile, Webseiten oder Lebensläufe dort hat, schlägt jeder Ansatz zur aktiven Suche fehl. Menschen, welche das Internet nicht als Plattform zur Partizipation nutzen, werden im Umkehrschluss auch nicht von Recruitern gefunden.
  2. Das Wunschtalent muss in irgendwie eine Verbindung zu seinem Job oder seiner beruflichen Entwicklung hergestellt haben. Das ist gar nicht so einfach, wenn beispielsweise soziale Medien wie Facebook und Twitter für private Belange genutzt werden.
  3. Die Informationen zur beruflichen Orientierung des Talents müssen suchbar und somit auch findbar sein. Ohne Indexierung oder Verschlagwortung, kann keine Suchmaschine dieser Welt ein Ergebnis liefern. Das trifft auf Twitter zu. Bei Facebook ist es trotz Graph schon deutlich schwieriger beispielsweise Postings zu finden, welche einen Bezug zu Arbeitsthemen haben.
  4. Selbstverständlich muss die Suche des Recruiters auch die passenden Keywords enthalten. Das ist durch differierende Syntax und Semantik nicht immer einfach. Die Worte mit denen jemand seine berufliche Entwicklung beschreibt, können sich sehr stark unterscheiden. Schließlich gibt es keine Klassifikation wie den NACE-Code, nach der jedes Talent zweifelsfrei in seiner Profession einsortiert werden kann.
  5. Angenommen es würde ein Ergebnis geben. Die gefundenen Talente müßten dann auch Interesse an der Ansprache durch einen Recruiter haben. Grade hier schwankt die Response-Quote allerdings sehr stark. Mal können es weniger als 10% sein, mal über 50%. Das hängt von der Art der Ansprache und dem Auftreten des Unternehmens ab. Immerhin geht man von 50% – 60% der Arbeitnehmer aus, welche zumindest passiv einer neuen beruflichen Herausforderung nicht abgeneigt sind.

Diese Betrachtung engt das potenzielle Ergebnis einer Suche bereits stark ein. Schließlich kommen nur noch die Menschen in Frage, welche einerseits überhaupt das Internet aktiv nutzen und anderseits darüber auch Orientierung/Kommunikation zur beruflichen Entwicklung pflegen. Das ganze muss natürlich dann in den eher privaten Netzwerken wie Twitter oder Facebook passieren. Sprachliche Unterschiede, Synonyme oder der schlichtweg falsche Gebrauch von Begriffen machen es zusätzlich schwierig ein Ergebnis hervorzubringen. Außerdem ist gar nicht gesagt, ob das angesprochene Talent überhaupt Interesse hat und antwortet.

Der Twitter-Test

Ich versetze mich in die Lage eines Recruiters und suche einen Teamleiter Service Desk in Köln auf Twitter. Alternative Schlagworte für die Position könnten auch Gruppenleiter, Leiter, Lead oder Teamlead sein. Für das Fachgebiet gingen auch IT-Support, IT-Service, Service Desk oder einfach nur Support. Der Ort ist Köln oder auch Cologne.

Natürlich werden sich sicher wenig Twitteratie finden, welche ihre Position mitteilen. Also in ihrem Profil die Worte Gruppenleiter, Leiter oder Lead verwenden. Stattdessen sollte ich also vielleicht nach den Worten Führung und Team suchen. Vielleicht, so die Annahme, hat unser potenzieller Wunschkandidat, ja mal etwas zum Thema gepostet. Aber natürlich sollten in seinem Profil auch irgendwo Fachthemen auftauchen. Von denen gibt es allerdings viele, wie zum Beispiel ITIL, IT Service Management, Incident Management, Assets, Problems und viele mehr.

Zudem kann man in Twitter nach der Sprache und dem Ort des Tweets suchen. Beides ist aber für meinen Zweck leider unbrauchbar. Einerseits durch die Verbreitung von Anglizismen, grade im IT-Sektor. Andererseits kann der Standort für jeden Tweet anders sein und gibt somit auch keinen Hinweis auf den Wohnort des Twitteratie.

Das erste Ergebnis in der Account-Ansicht zeigt bereits:  Das hat nicht funktioniert. Selbst wenn es hier eine echte Person herauskommen würde. So ergäbe sich sofort das nächste Problem. Klickt man nämlich auf den Account, wird die Timeline geladen. Allerdings nicht vollständig. Eine weitere Suche auf der Seite, funktioniert also erst, wenn durch Scrollen der Rest der Tweets geladen wurde. Das kostet, je nach Größe der Timeline viel Zeit und ist auch nur wenig aufschlussreich. Es könnte sich vielleicht um einen Retweet handeln, welcher aber nichts mit dem Beruf des Users zu tun hat.

Hat es dennoch geklappt und am Ende steht eine kleine schmale Liste an Usern, kommt es nun auf die Ansprache an. So können aus einem Pool von 5 potenziellen Kandidaten am Ende nur noch einer oder gar niemand bleiben.

Den Facebook-Test spare ich mir hier direkt, weil selbst als Blogger ich dort die Share’s meiner Artikel nicht nachvollziehen kann. Selbst mit der Suche auf dem Social Graph von Facebook, sind die Ergebnisse dürftig.

Schlussfolgerung

Diese kurze vorangegangene Betrachtung hat gezeigt, dass Active Sourcing via klassischer sozialer Medien nicht unmöglich aber sehr mühsam und zeitaufwendig ist. Selbst mit Meta-Suchmaschinen, welche Twitter und Facebook crawlen würden, ergäbe sich kein besseres Bild. Dafür ist es schlichtweg zu schwierig auf einen Zusammenhang zu schließen, welcher oft nicht explizit erwähnt wird. Von der überwiegend privaten Nutzung ganz zu schweigen.

Active Sourcing kann sich somit eigentlich nur auf Lebenslaufdatenbanken und Businessnetzwerke sowie weitere Quellen, welche über Google & Co erschlossen sind beziehen. Grade aber Lebenslaufdatenbanken kranken an mehreren Problemen. Sie kämpfen mit veralteten, doppelten oder unvollständigen Lebensläufen.

Bei Businessnetzwerken sieht dies anders aus. Hier halten die Benutzer ihr Profil relativ aktuell. Auch haben die meisten User nur ein Profil und werden von der Plattform ermuntert dieses auch vollständig zu füllen. Nicht umsonst bieten Xing und Linkedin Tools für Active Sourcing an. Schwierigkeit hier ist der Status des Netzwerkteilnehmers. Zwar ist es möglich differenziert seinen Karriere-Status wiederzugeben, dass tun aber längst nicht alle.

In Karrierenetzwerken als auch in CV-Datenbanken findet sich ein Wust aus den verschiedensten Begrifflichkeiten, welche den aktuellen Job und dessen Beschreibung wiedergeben sollen. Active Sourcing in diesem Bereich sollte also sehr gut geplant werden und über eine reichhaltige Keywordliste verfügen. In sozialen Medien wird einem aber selbst das nicht zum Erfolg verhelfen.

Der einzige Weg, um auch in Twitter und Facebook neue Talente zu rekrutieren, ist über die Follower und Freunde. In dieser Strategie wird zunächst ein Leuchtturm identifiziert. Also in meinem Beispiel, ein Teamleiter Service Desk, welcher bereits durch den Recruiter angeworben wurde. Man geht davon aus, dieser würde sich mit Gleichgesinnten umgeben. Somit sind alle natürlichen Personen, welche als Follower oder Freunde hinzugefügt wurden, potenziell interessant. Allerdings bieten diese sozialen Netzwerke keine Suchen, um die Menge an Accounts durchzugehen. Somit fallen selbst mit der Methode die sozialen Medien aus dem Raster des Active Sourcings.

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Stefan Müller

Ich beschäftige mich mit den Themen transformationale Führung, intrinsische Motivation und New Work. Ich erforsche komplexe Arbeitsbeziehungen und werfe einen Blick in die Zukunft des Lebens und der Arbeit. Vernetzen Sie sich gerne mit mir unter @kitp_de auf Twitter!
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