Homeoffice

Homeoffice oder als ich im Schlafanzug U-Bahn fuhr

Der Wecker plärrt. Draussen ist es dunkel. Klar, weil es verdammt früh ist. Der frühe Vogel kann mich mal. Man rappelt sich auf und steht eine Zeit später vor der Haustür. Es regnet abscheulich. Autos brettern mit Karacho durch Fützen. Nach unendlichen Minuten an der stark befahrenen Straße wird die U-Bahn Haltestelle erreicht. Hässliche Fliesen und kaltes Licht begrüßen einen. Gott sei Dank, die Bahn ist pünktlich und lässt einen von diesem Ort entfliehen. Nach einem weiteren Fußweg mit lärmenden Müllwagen, um Hunde herumtanzende Gassigänger und einer in die Glieder kriechenden Witterung kommt man endlich an. Wäre ich doch besser im Bett geblieben.

Die Digitalisierung sorgt dafür, dass sich die Notwendigkeit überhaupt vor die Tür zu bewegen immer stärker einschränkt. Ich kann mir alles, was ich zum Leben benötige per Internet bestellen und direkt an die Haustür liefern lassen. Warum sollte ich da also nicht auch von zu Hause arbeiten?  Und damit sind wir gleich beim Thema. Erlaubt der Arbeitgeber die Arbeit im Homeoffice? Glaubt man verschiedenen Studien (hier und hier), tun das rund 60% der Unternehmen in Deutschland nicht.

Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten (Arbeitsmodelle), ist auf dem IT Arbeitsmarkt ein großes Thema. Warum auch nicht, schließlich erlaubt die moderne Technik eine fast lückenlose Integration des Mitarbeiters ins operative Tagesgeschäft. Es gibt Unternehmen, die weit über 2.000 Mitarbeiter haben, aber nicht für alle auch Stühle und Tische. So zum Beispiel die neue Microsoft Zentrale in München. Wozu auch viel Miete bezahlen, wenn der Mitarbeiter zu Hause sein eigenes Büro besitzt.

Doch was müssen Unternehmen beachten, wenn Sie darüber nachdenken Homeoffice anzubieten? Es gibt verschiedene Faktoren, die in die Entscheidung einbezogen werden sollten:

Rechtliches
Homeoffice ist eine Form der Telearbeit wobei es für Telearbeit kein eigenständiges Gesetz gibt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen setzen sich aus Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), Bildschirmarbeitsverordnung (BildScharbV), Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und Heimarbeitsgesetz (HAG) zusammen. Das ist wichtig, denn letztendlich muss der Arbeitgeber all diese Gesetze auch im Homeoffice sicherstellen, ansonsten könnte er wegen einer Ordnungswidrigkeit angeklagt werden.

Natürlich gilt auch hier wo kein Glashaus, da kein Stein (oder so). Doch ist eben das wahrscheinlich auch der Grund, warum so viele Unternehmen noch vor Homeoffice zurückschrecken. Darüber hinaus müssen auch die Vertraulichkeitspflichten vom Arbeitnehmer ernst genommen werden. Es dürfen somit keine vertraulichen Dokumente von Dritten in Augenschein genommen werden. Theoretisch könnte sogar der Arbeitgeber sich ein Zugangsrecht zur Wohnung im Vertrag festschreiben lassen, um die oben genannten Dinge zu prüfen.

Ein weiterer Aspekt, der der Flexibilisierung Grenzen setzt, ist die Unterscheidung zwischen Werk- und Feiertag. So könnte es dem Mitarbeiter einfallen, einen Teil seiner Arbeit am Sonntag zu erledigen und damit gleichzeitig auch Anspruch auf eine entsprechende Abgeltung der Arbeitszeit für Feiertage in den Raum zu stellen. Das ist ungünstig, weil solche Mehrausgaben eigentlich niemals eingeplant sind. Hier gibt es eine gute Zusammenfassung.

Technik
Die Technik untergliedert sich in zwei Bereiche. Einmal Hardware, sprich also Latpop oder Desktop PC und Software um die anfallenden Arbeiten letztendlich zu erledigen. Beides ist in der heutigen Zeit kein Problem mehr. Viele Unternehmen geben an ihre Mitarbeiter nur noch Laptops aus und proklamieren das papierlose Büro. Das heißt ein Drucker entfällt. Auf der Softwareseite sieht es ebenso aus. Neben klassischen Kommunikationsmitteln via Telefon (Firmentelefon) und E-Mail gibt es meist noch einen Instantmessenger für schnelle Absprachen sowie beispielsweise Skype für Face2Face Kommunikation.

Paradoxerweise ist das Thema Technik eher ausserhalb des Homeoffice zu finden. Dann, wenn es um die Frage geht, wie Mitarbeiter im Homeoffice mit den Mitarbeitern im Office zusammengebracht werden können. Meetings im Büro müssen dann virtuell ergänzt werden. Die Umrüstung von Meeting Räumen mit Teleconferencing Systemen kann ganz schnell ins Geld gehen. Für 2-3 Mitarbeiter, welche im Homeoffice Arbeiten lohnt sich das womöglich nicht, ist aber dennoch wichtig umzusetzen.

Soziales
Natürlich ermöglicht das Homeoffice eine bessere Vereinbarung von Beruf und Familie. Auch wenn der Handwerker sich zwischen 8 und 16 Uhr angekündigt hat, ist das im Homeoffice kein Problem. Doch hat die digitale Heimarbeit auch ein paar Schattenseiten, speziell wenn sie ausschließlich oder für einen längeren Zeitraum ausgeführt wird. Dann nämlich klagen Homeworker potenziell über Vereinsamung oder Selbstausbeutung.

Manche entscheiden sich auch ganz bewußt gegen das Homeoffice, weil damit die sozialen Kontakte zu den Kollegen nicht mehr so gepflegt werden können, wie das im Office möglich wäre. Zudem tritt eine Vermischung von Arbeit und Privatleben auf, die sich negativ auf die mentale Gesundheit auswirken kann. Auch wenn viel über Work-Life-Balance gesprochen wird und man eigentlich zum Schluss kommen kann, dass es nur eine Life-Balance gibt.

Das eigene Zuhause stellt aber auch einen Rückzugsort dar, in dem man sich eigentlich erholen sollte. Mit dem Firmentelefon auf dem Küchentisch ist das nicht so einfach. Auch hat nicht jeder den Luxus ein eigenes Arbeitszimmer einrichten zu können.

Operatives
Außerdem erwartet der Arbeitsgeber natürlich dennoch die pünktliche Erledigung der Arbeit. Private Störfaktoren, wie Baulärm in einer benachbarten Wohnung oder die klingelnde Werbung an der Haustür, gelten dann nicht. Hinlänglich versprechen sich Unternehmen und Mitarbeiter allerdings eine Steigerung der Produktivität durch Reduzierung von Ablenkungen und störenden Einflüssen. Durch die ungezwungene Umgebung kann Homeoffice ungeahnte kreative Energien freisetzen, zumindest wenn diese für die Arbeit erforderlich sind.

Während die Präsenz im Büro oft über feste Arbeitszeiten geregelt ist, fallen diese im Homeoffice weg. Zumindest sollte es so sein. Sonst hätte man schließlich nur den Arbeitsort gewechselt. Theoretisch könnte es daher auch möglich sein, um 4 Uhr morgens zu arbeiten oder am Sonntag. Wobei das einerseits nicht zum Rhythmus der Kollegen im Büro passt und damit zu Verzögerungen bei Arbeitsergebnissen führt und andererseits rein rechtlich gesehen erneute Fallstricke für den Arbeitgeber bedeutet.

Weiterhin ist im Bereich des operativen Tagesgeschäfts zu bedenken, dass nicht jeder Mitarbeiter seine Tätigkeit ins Homeoffice verlegen kann. Mitarbeiter im First- oder Secondlevel Support beispielsweise, können zwar auch zu Hause ans Telefon gehen, allerdings kann das gegenüber dem Kunden durchaus unprofessionell wirken, wenn im Hintergrund der Fernseher läuft oder ein Kind schreit. Das hängt dann wiederum von der Branche und letztlich der Art der Kunden ab.

Kultur
Die Arbeit im Homeoffice ist ganz stark von der gelebten Unternehmenskultur abhängig. Daher wird meist auch gleichzeitig eine Vereinbarung auf Vertrauensarbeitszeit aufgesetzt. Dieses Vertrauen muss das Unternehmen aber erst einmal aufbringen. Sobald der Verdacht aufkommt, dass die Zeit im Homeoffice womöglich nicht effektiv genug genutzt wird, ist das ganze Unterfangen wegen Generalverdachts zum Scheitern verurteilt. Dann nämlich werden Mitarbeiter das Angebot gar nicht erst nutzen.

Nichtsdestotrotz wird das Homeoffice immer wieder angefragt und stellt damit für Unternehmen in Deutschland auch ein Merkmal dar, mit dem sie sich bei Fachkräften differenzieren können. Die Unternehmenskultur muss damit also sich eher auf das Was konzentrieren als auf das Wie. Das wird gemeinhin als Management by Objectives beschrieben. Es zählen dann nur noch die Ergebnisse. Wie, wann und wo der Mitarbeiter zu diesen Ergebnissen kommt, spielt keine Rolle. Wenn man von Kultur spricht, liegt es nahe sich auch die Ängste anzuschauen, die mit einer Tätigkeit im Homeoffice einhergehen und zwar aus der Perspektive des Arbeitgebers und Arbeitnehmers:

Arbeitgeber: Wie verhindere ich, dass sich der Mitarbeiter in aller Ruhe vom Homeoffice aus bei anderen Firmen bewirbt? Wie kann ich sicherstellen, dass er seine Aufgaben erledigt? Was ist wenn alle Mitarbeiter gleichzeitig ins Homeoffice gehen wollen?

Arbeitnehmer: Schadet Homeoffice meiner Karriere? Werde ich für meine Kollegen und meinen Vorgesetzten unsichtbar und nimmt man mich im Homeoffice vielleicht nicht mehr ernst? Bekomme ich womöglich gar nicht mehr mit, wenn ich einen Fehler gemacht habe und man sich über mich ärgert?

Arbeitsmarkt
Angenommen aus irgendeinem abstrusen Grund würden viele IT-Fachkräfte es vorziehen bei einem Unternehmen zu arbeiten, was rosafarbene Wände und Möbel besitzt. Könnte sich dieses Unternehmen dann diesem Wunsch verschließen, auch wenn es genau weiß, dass Rosa die meisten Menschen nach einiger Zeit mächtig aggressiv macht? Und wenn sich dieses Unternehmen nun gegen rosafarbene Wände entscheiden würde, wie könnte es diese Entscheidung gegenüber dem Arbeitsmarkt verkaufen oder rechtfertigen?

Das ist eine ganz schwierige Frage, die ich hier auch nicht vollständig beantworten kann. Es ist eine Interessenabwägung die grade bei einem so komplexen Thema wie „Homeoffice“ zu gewichtigen Konsequenzen führt. Da gilt es dann den goldenen Mittelweg zu finden, um es beiden Interessensgruppen Recht zu machen. Zum Beispiel nur ein Büro mit rosafarbenen Wänden.

Kosten
Homeoffice ist mit Kosten verbunden. Das muss jedem Unternehmen klar sein, denn letztendlich werden bestehende Betriebsmittel redundant angeschafft und betrieben. Zum Beispiel das Telefon. Während im Büro ein funktionsfähiges Telefon steht, wird der Mitarbeiter im Homeoffice nicht seinen privaten Anschluss nutzen wollen. Das heißt hier wird ein Firmentelefon benötigt. Auf der anderen Seite, kann sich der Arbeitnehmer auf den Standpunkt stellen, ebenso nicht seine private Internetleitung verwenden zu wollen. Das ist verständlich und mündet wahrscheinlich in einem UMTS Stick für das Laptop.

Auf der anderen Seite sollte das Büro für die Homeoffice Arbeiter entsprechend digital integriert werden. Also Monitore, Kameras, Telefonspinnen und deren Wartung fallen als Kosten an. Sie sehen, es ergibt sich relativ schnell ein fixer und variabler Kostenblock. Kann dieser Kostenblock durch die Homeoffice Arbeit und womöglich eine Steigerung der Produktivität wieder eingespielt werden?

Fazit

In meinem Artikel habe ich die verschiedenen Faktoren betrachtet, die ein Unternehmen bei der Entscheidung für oder gegen Homeoffice bedenken sollte. Außerdem hat es sich als kein triviales Thema herausgestellt. Klares K.O. Kriterium sind die rechtlichen Faktoren. Wenn der Arbeitgeber diese nicht sicherstellen kann oder will, läuft er in ein unkalkulierbares Risiko hinein. Ein eigenes Telearbeitsgesetz würde hier Abhilfe schaffen.

Aber auch die anderen Faktoren in Bereich Kultur, Kosten, Technik, Soziales und Operatives haben gezeigt, das das Vorhaben „Homeoffice“ von einigen wichtigen Entscheidungen abhängig ist. Wobei es allerdings der Faktor Arbeitsmarkt ist, der den Ausschlag geben kann für oder wider einer solchen Regelung. Sobald der Markt es fordert, vielleicht einfach aus der Tatsache heraus, dass die meisten Menschen gar keine Ahnung haben, was das in der Tiefe bedeutet, ist das Unternehmen quasi gezwungen entsprechende Entscheidungen zu treffen.

Wie in meinem Beispiel mit den rosafarbenen Wänden, gibt es allerdings einen Ausweg. Ein Szenario könnte das „Anlassbezogene Homeoffice“ sein. Einerseits ermöglicht man seinen Mitarbeitern auf Anfrage die Arbeit zu von Hause aus. Andererseits stellt man aber klar, dass dies eine Sonderregelung für einen begrenzten Zeitraum ist. Zwar verschwinden damit nicht die rechtlichen Faktoren, doch werden sie in ihren Risiken für das Unternehmen abgemildert. Es ist wesentlich leichter die verschiedenen Facetten für 1-2 Tage zu überblicken, als das bei einer allgemeinen Regelung auf Dauer der Fall wäre.

Ein weiteres Szenario wäre bei einer allgemeinen Regelung, in den Feedbackgesprächen den jeweiligen Erfolg der Homeoffice Arbeit konkret unter die Lupe zu nehmen. Das würde im Einzelfall ggf. bedeuten von der Homeoffice Regelung Abstand zu nehmen, weil es nicht richtig funktioniert.

Im Bereich Kultur zeigen die Ängste, dass hier eine gewisse Irrationalität beider Parteien eine wichtige Rolle spielt. Demnach ist das A und O bei Homeoffice die Kommunikation und das in mehrfacher Hinsicht. Je offener und intensiver sich diese gestaltet, desto besser klappt auch die Arbeit von zu Hause aus. Außerdem zeigen New Work und die Digitalisierung, dass es sich dabei um einen Trend handelt, der nicht mehr aufzuhalten ist.

2 Kommentare
  1. Andreas
    Andreas sagte:

    Wenn ich jetzt bei mir selbst oder auch bei Bekannten nachsehe, die von zu Hause aus arbeiten, für die ist es allesamt kein Problem, die private Internetleitung für geschäftliches zu nutzen. Ansonsten braucht man im Homeoffice ja auch nicht mehr, als man in einem normalen Büro bräuchte.

    • admin
      admin sagte:

      Hallo Andreas,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Das stimmt natürlich. In der Tat haben viele damit kein Problem. Die Homeoffice Vereinbarung beruht damit allerdings immer auch irgendwie auf einem Konsens, dass beide Parteien ihre Rechte und Pflichten nicht vollständig ausüben, oder?

      Viele Grüße

      Stefan

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